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„Mir bleibt nur, ihr zu danken.“ – Über die Freundschaft zwischen Hannah Arendt und Uwe Johnson

„Mir bleibt nur, ihr zu danken“ schrieb Uwe Johnson in seinem Nachruf auf Hannah Arendt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nach ihrem Tod am 4. Dezember 1975. Die große Denkerin aus Königsberg und den Autor aus Mecklenburg verband – trotz des Altersunterschiedes von 30 Jahren – eine jahrelange und intensive Freundschaft.

Diese Freundschaft und den Einfluss der jüdischen Denkerin und Publizistin auf Uwe Johnson und sein Schaffen ließ der Kieler Johnson-Experte Rainer Paasch-Beeck an Sonnabend, dem 13. Dezember 2025 lebendig werden. Er las im Klützer Literaturhaus aus dem Briefwechsel zwischen beiden, der diese außergewöhnliche Freundschaft dokumentiert. (Erschienen 2004 im Suhrkamp Verlag)

Zu dieser letzten Lesung des Jahres, auch anlässlich des 50. Todestages von Hannah Arendt, waren zahlreiche Gäste gekommen und der Veranstaltungsraum im Dachgeschoss war voll besetzt.

Hannah Arendt floh 1941 vor den Nazis aus Europa nach New York und wohnte in den 1960-er Jahren am Riverside Drive, eine Straße am Ufer des Flusses Hudson. Während Johnsons Aufenthalt in New York von 1966 bis 1968 waren die beiden fast Nachbarn, auch Uwe Johnson und seine Familie hatten am Riverside Drive ihren Wohnsitz. Und nicht nur das, auch Gesine Cresspahl, die Hauptfigur seines Romans „Jahrestage“, wurde am Riverside Drive angesiedelt.

Der Briefwechsel ist geprägt von gegenseitiger Achtung, Zuneigung und Herzlichkeit. Berufliche und private Neuigkeiten werden ausgetauscht. Auch die Verlegerin Helen Wolff, die mit Ahrendt und Johnson befreundet war, kommt zu Wort. Arendt bat Johnson mehrmals, wieder nach New York zu kommen. Über die „Jahrestage“ schrieb sie: „Jahrestage ist wahrhaft ein Meisterwerk. Es ist ein Dokument für die Nach-Hitler-Zeit. Sie haben sie so haltbar gemacht.“ Und sie versprach, das Buch vielfach an Freunde zu verschenken. 

Weiterhin kann man in dem Briefwechsel nachlesen, dass Johnson Hannah Arendt im Juni 1970 um die Erlaubnis bat, sie als Gesprächspartnerin für Gesine Cresspahl in seinem Roman auftreten zu lassen – unter ihrem tatsächlichen Namen. „Nur nicht Namen nennen. Dagegen bin ich allergisch“, schrieb Hannah Ahrendt zurück. Johnson benannte sie deswegen in „Gräfin Seydlitz“ um. Dies gefiel der „Dame“ – wie er sie beschrieb – ebenso wenig: „Aber, bitteschön, zur Gräfin machen Sie mich nicht! Bis Sie so was dürfen, müssen Sie noch viele reizende Briefe schreiben. Von allem andern abgesehen, scheint es Ihnen nicht aufgefallen zu sein, dass ich jüdisch bin.“

Rainer Paasch-Beeck begleitet das Literaturhaus „Uwe Johnson“ seit vielen Jahren. Er arbeitete an der Dauerausstellung mit und beleuchtete in vielen unterhaltsamen Vorträgen Leben und Werk Uwe Johnsons stets unter verschiedenen Aspekten. Er ist Dozent für Literaturdidaktik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Lehrer an einem Gymnasium in Plön.

Das Buch „Hannah Arendt/Uwe Johnson: Der Briefwechsel“ (2004) ist vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich. Rainer Paasch-Beeck verwies auf drei neu erschienene Bücher zu Hannah Arendt: „Hannah Arendt. Ein Leben“ von Willi Winkler, „Die Denkerin. Hannah Arendt und ihr Jahrhundert“ von Grit Straßenberger und die Biografie „Hannah Arendt“ von Thomas Meyer.

Die Lesung war eine Veranstaltung des Fördervereins des Literaturhauses „Uwe Johnson“ mit freundlicher Unterstützung der Sparkasse Mecklenburg-Nordwest.

Foto: Rainer Paasch-Beeck im Literaturhaus „Uwe Johnson“ bei einer Lesung zu Hannah Arendt und Uwe Johnson. Foto und Text: Barbara Stierand