„Ein Leben kann Schatten werfen über den Mond…“ – Der Titel des Abends ist ein Zitat aus einem der 57 Gedichte, die das jüdische Mädchen Selma Meerbaum in seinen letzten zwei Lebensjahren schrieb – ehe Selma mit ihrer Familie deportiert wurde und 1942 im Arbeitslager Michailowska an Typhus starb – mit 18 Jahren. Sie konnte das Heftchen mit ihren hineingekritzelten Gedichten noch aus dem Lager schmuggeln, bis es bei ihrer Schulfreundin Renée daheim in Czernowitz ankam. In der einst deutsch-rumänisch-österreichischen Kulturmetropole Czernowitz – heute ukrainisches Territorium – war Selma 1924 geboren worden, zu ihren Cousins zählt der Dichter Paul Celan. Mit 15 begann sie, zu schreiben, plante ein Literaturstudium. Nach dem Einmarsch der Nazis 1941 wurde die jüdische Familie verfolgt, ins Getto getrieben und ins KZ deportiert. Freundin Renée entkam der Vernichtung und schleppte Selmas „Blütenlese“ im Rucksack quer durch Europa, zu Fuß, auf Pferdewagen und Zugdächern – bis nach Paris. Und 1948 weiter bis nach Israel. 1968 gelangt ein Gedicht nach Ostberlin, wird abgedruckt und 1976 von Selmas alten Czernowitzer Klassenlehrer Hersch Segal in Israel entdeckt. Er sucht und findet Renée in Tel Aviv und bringt als Privatdruck alle Gedichte Selmas heraus. Ein Exemplar gelangt 1980 nach Heidelberg – in die Hände der großen Dichterin Hilde Domin. „…es ist eine Lyrik, die man weinend vor Aufregung liest, so rein, so hell, so schön und so bedroht.“ Selmas Vermächtnis nimmt seinen Weg… Ihre Gedichte voller Zärtlichkeit, Courage und Kraft, erzählen von Sehnsucht, Liebe, purer Lebensfreude und am Ende trotziger Verzweiflung.
Susanne Schwan, geboren in Düsseldorf, studierte dort Musik und Schauspiel, nach Theaterjahren u.a. in Düsseldorf, Essen, Bonn, Bremerhaven, Bielefeld studiert sie Rundfunk- und Print-Journalismus, arbeitet für NDR, Radio Bremen und 25 Jahre als Redakteurin an der Bremerhavener Nordsee-Zeitung. Daneben aber tritt sie überregional mit ihrem Herzensprojekt Lyrik-Lesungen auf, u.a. für die Gesellschaft für Deutsche Sprache und das Goethe-Institut. Mit dem Musiker Simon Bellett gestaltet sie literarisch-musikalische Programme – ob Saint-Exupéry, Mascha Kaléko oder H.Ch.Andersen – und war kürzlich mit dem Selma-Meerbaum-Programm in Hannover zu den „Niedersächsischen Jüdischen Kulturtagen zwischen Harz und Heide“ zu Gast. „Meine Leidenschaft gehört den Menschen, ihren Leben, ihren Geschichten, und dem ungeheuren Ausdrucksreichtum der Sprache“, sagt die Rezitatorin, „das ganze Leben verdichtet in der Lyrik – da wird für mich die Sprechstimme wie zum Musikinstrument und sucht die Resonanz unmittelbar von Herz zu Herz.“
Simon Bellett stammt aus Yorkshire, England, studierte Klavier, Komposition und Chorleitung und lebt und arbeitet seit 1995 in Norddeutschland. Der Konzertmusiker, Chorleiter und Pädagoge hat mit seiner Familie seinen Lebensmittelpunkt in der Hafenstadt Bremerhaven gefunden und wirkt im Elbe-Weser-Raum als „Multi-Instrumentalist“ mit Auftritten und Projekten aller musikalischen Stilrichtungen, zwischen Klassik, Jazz, Chanson, Kirchen- und auch Volksmusik – sei es singend, am Klavier, an Saxofon, Akkordeon oder Klarinette. Seine musikalische Leidenschaft, sagt er selbst, sorgt dafür, „dass ich trotz meiner Blindheit ein ausgesprochen buntes Leben genieße.“
Kartenreservierung unter TEl.: 038825-22387 oder per E-Mail: Service@literaturhaus-uwe-johnson.de
Eintritt 10 Euro, erm. 8 Euro.
Bild: Susanne Schwan & Simon Bellett© Susanne Schwan